Le Club: Unwohlsein – eine neue politische Kategorie
Der Teil des Publikums, das die Absetzung des Konzert der Band «lauwarm» verlangte, beründete dies mit ihrem Unwohlsein. Unwohlsein war einst eine keusche Umschreibung von Menstruationsbeschwerden. Heute ist es zu einer politischen Waffe geworden, die (fast) immer sticht: Wer sich unwohl fühlt, hat recht.
Doch die Gegenseite reagiert nicht wesentlich anders: Sie fühlt sich angesichts des Verlusts an Meinungsfreiheit, Vielfalt etc. nicht wohl.
Verunglimpfungen wie «Snowflakes» gegen «Boomer» führen nicht weiter, eine differenzierte Analyse dieser neuen politischen Kategorie tut not. Auch die Fragen, welche Verletzungen legitim sind und welche nicht, und wer die Legitimation einer Verletzung festlegt – die Verletzte oder der Verletzer? Beispiel Kassel und der Antisemitismus –, müssen angegangen werden.
Unsere Vermutung geht dahin, dass die Rationalität als Fundament der Menschenrechte, als Grundlage von Rechten überhaupt, nicht mehr ausreicht. Dass der Mensch ein vernünftiges Wesen ist, begründete mindestens seit der Aufklärung die universalen Menschenrechte. Da aber ausschliesslich weisse Männer als vernünftig galten – keine Frauen und keine PoC – galten Rechte auch nur für sie.
Mit der Ausdehnung der Rechte, zuletzt auch auf Tiere und bald auf Maschinen, reichte das Fundament der Vernunft nicht mehr aus. An die Stelle trat die Verletzlichkeit (vulnerability): Anspruch auf Grundrechte haben alle Wesen, die verletzlich sind. Wir stehen nun mitten im Aushandlungsprozess um diese neue Grundlage. Dabei wird dieser Aushandlungsprozess dadurch korrumpiert, dass die Vulnerabilität zur Attitüde verkommt. «Zeige Verletzlichkeit!» ist das neue Management-Mantra
Diese Fragen diskutieren wir nach kurzen Inputs von Jean-Martin Büttner, Tages Anzeiger, Noam Strassberg, Tauchlehrer und Politaktivist und einer weiteren Aktivistin (tba) bei Pasta und Wein. Moderation: Baldassare Scolari, marxistischer Religionswissenschaftler und Medienexperte.
Unkostenbeitrag: CHF 10
Anmeldung: nicht erforderlich