Die Corona-Pandemie, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, die sich zuspitzende Klimakatastrophe — wir durchleben eine Zeit multipler, sich überlagernder Krisen. Viele der politischen, ökonomischen oder lebensweltlichen Gewissheiten im Europa des ausgehenden 20. Jahrhunderts sind dabei wegzubrechen. In Folge dieser sich überstürzenden Ereignisse kehren Fragen zurück, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts schon einmal mit Nachdruck gestellt wurden. Unter der zerstörerischen Wucht des zweiten Weltkriegs, seiner verheerenden ideologischen Vorboten und Nachwirkungen stellten Philosoph:innen wie Martin Heidegger, Albert Camus, Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir Fragen wie: Was für eine Seinsweise ist das, das Dasein? Welche Bedeutung hat die Angst für ein menschliches Leben? Was macht dieses Leben aus angesichts von Tod, Krankheit und Zufall? Welche Verbindlichkeiten gibt es, wenn alle metaphysischen Verankerungen sich aufgelöst haben? Hat das Leben einen Sinn? Und wenn ja, wie können wir diesen finden?
Charakteristisch für die existentialphilosophischen Bearbeitung dieser Fragen ist, dass sie einerseits die Situation des Menschen in einer nüchternen gar pessimistischen Ontologie zu fassen versucht, zugleich aber die Freiheits- und Gelingensspielräume typischer existentieller Situationen erkundet. Für Camus beispielsweise ist das Absurde die erste Gewissheit im Dasein. Das Absurde wird nicht nur durch ein Gefühl der Fremdheit in der Welt ausgedrückt, sondern meint mehr: nämlich die Absage an einen sinnvollen Ablauf der Geschichte, an den Sinn des sich ständig wiederholenden Alltagslebens. In diesem sinnlosen Zusammenhang stellt sich die Frage danach, inwiefern unser Leben, wenn es doch absurd ist, überhaupt lebenswert ist – nicht mal die Religionen helfen uns hier; sie sind nur falsche Hoffnungen, die in Totalitarismus münden. Der einzige Ausweg, der einzige Umgang mit dem Absurden und der Grund dafür, dass wir uns nicht in den Selbstmord stürzen, liegt darin, die Absurdität der Welt anzuerkennen und uns aktiv für das Leben zu entscheiden. Denn diese aktive Entscheidung ist als Akt der Revolte zu sehen, als Akt der Auflehnung, einen Kampf in dem wir den Tod ablehnen und so das Leben gewinnen.
Exemplarisch für die erwähnte Doppelstellung ist auch Sartres Frühwerk „Das Sein und das Nichts“ von 1943, das einerseits eine phänomenologische Ontologie – so der Untertitel – entwirft, zugleich aber auch eine existentielle Psychoanalyse skizziert, die er als kritische Alternative zur Freud’schen Psychoanalyse versteht.
Wir wollen diese Doppelstellung des Existentialismus zwischen Ontologie und Therapie zum Anlass nehmen, zentrale Texte des Existentialismus kennen zu lernen und sodann auch einen Blick auf die Anknüpfungen und Fortschreibungen der existentiellen Psychotherapie zu werfen, z.B. bei Ludwig Binswanger, Viktor Frankl, Rollo May oder Irvin D. Yalom.
Datum und Ort
Der Kurs findet vom 8. Màrz 2023 – 7. Juni 2023 wöchentlich jeweils mittwochs von 18:15-20:00 Uhr im Kollegiengebäude der Universität Basel (Raumangaben folgen) statt.
Anmeldung
Bitte melden Sie sich über die rote Schaltfläche „Anmelden“ oben rechts auf dieser Seite an. Nach erfolgter Anmeldung erhalten Sie eine Bestätigungs- und anschliessend eine Verifikationsmail. Bitte klicken Sie auf den Link in der Verifikations-Mail. Erst dann ist der Anmeldevorgang abgeschlossen. Anmeldeschluss ist der 1. März 2023.
Kosten
CHF 900 (CHF 800 für Mitglieder von Entresol)
Dozenten
Dr. phil. Andreas Cremonini, Philosoph, freier Wissenschaftler und Publizist, Basel
Dr. phil. Alexander Fischer, Philosoph, Therapeut, Assistent am Philosophischen Seminar der Universität Basel [Link]
Zielpublikum
Der Studiengang richtet sich an Ärztinnen und Ärzte aller Fachrichtungen sowie an nicht-ärztliche Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten.
Abschluss
Der Studiengang kann nach Besuch des Grundkurses, von vier Seminaren und einer schriftlichen Arbeit mit einem Zertifikat der Universität Zürich abgeschlossen werden: Certificate of Advanced Studies UZH in Philosophie für Fachleute aus Medizin und Psychotherapie (15 ECTS Credits).
Flyer: CAS Philosophie FS 2023 Existentialismus